Selbstführung ist zur Schlüsselkompetenz moderner Führungskräfte geworden. Doch viele Unternehmen überlassen diese Entwicklung dem Zufall – oder der privaten Initiative ihrer Team Leader. Für Personalverantwortliche stellt sich deshalb eine zentrale Frage: Wie lässt sich Selbstführung im Unternehmen konkret fördern – ohne Zwang, aber mit Wirkung?
Dieser Beitrag liefert Antworten, Strategien und Erfahrungswerte – basierend auf einem Gespräch mit Stephanie Woesler, Personalleiterin und Geschäftsführerin bei Weischer, das wir im Rahmen der 50. Jubiläumsfolge des KICKOFF: LEADERSHIP Podcasts geführt haben.
Was bedeutet Selbstführung – und warum ist sie so entscheidend?
Selbstführung beschreibt die Fähigkeit, das eigene Denken, Fühlen und Verhalten bewusst zu steuern. Führungskräfte, die sich selbst führen können, sind in der Lage:
- Klar und wertebasiert zu entscheiden – auch unter Druck
- Verantwortung für ihre Wirkung auf andere zu übernehmen
- Veränderungen nicht nur zu fordern, sondern vorzuleben
- Feedback anzunehmen und aktiv einzufordern
- Eine glaubwürdige, stabile Vorbildrolle einzunehmen
- Kurz: Selbstführung ist die Voraussetzung dafür, dass Führung nicht nur funktioniert, sondern wirkt.
Warum Selbstführung selten „on the job“ entsteht
Viele Aspekte der Selbstführung passieren nicht während der Arbeitszeit, sondern im stillen Raum danach: in der persönlichen Reflexion, im Coaching, in der ehrlichen Auseinandersetzung mit eigenem Verhalten, Triggern und Werten. Und genau hier liegt eine Herausforderung für moderne HR-Arbeit:
Gerade in einer von Work-Life-Balance geprägten Arbeitswelt ziehen viele junge Führungskräfte klare Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem. Persönlichkeitsentwicklung wird oft als Privatsache betrachtet. Das wirft die Frage auf: Wie viel Selbstführung kann entstehen, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit nicht mehr stattfindet?
Wie HR Selbstführung im Unternehmen gezielt fördern kann
Stephanie beschreibt in unserem Gespräch drei zentrale Hebel, mit denen HR Selbstführung effektiv unterstützen kann – ohne sie zu verordnen:
1. Haltung entwickeln und sichtbar machen
Personalentwicklung beginnt mit einer klaren Positionierung: Selbstführung ist gewünscht, erwartet und wird aktiv unterstützt. Wer führt, muss bereit sein, sich selbst weiterzuentwickeln. Diese Haltung sollte offen kommuniziert werden – sowohl nach innen als auch in Recruitingprozessen.
2. Niedrigschwellige Angebote schaffen
Nicht jede Führungskraft springt freiwillig in ein Coaching oder Feedbackformat. Umso wichtiger ist es, einfache, respektvolle Einstiege zu ermöglichen. Besonders wirkungsvoll sind:
- Persönlichkeitsdiagnostiken mit Auswertungsgespräch
- Externe Coaching-Angebote
- Moderierte Feedback-Workshops (z. B. Bottom-up-Feedback aus dem Team)
- Diese Formate schaffen Reflexionsräume – ohne mit Defiziten zu stigmatisieren.
3. Vorbilder stärken und sichtbar machen
Die besten Impulse kommen oft nicht von oben, sondern von Gleichrangigen. HR sollte gezielt Führungskräfte fördern, die Selbstführung vorleben – und sie ermutigen, ihre Erfahrungen im Unternehmen zu teilen. Nicht als Heldenstory, sondern als Lernreise.
Was Sie besser unterlassen sollten
Wer Selbstführung fördern will, sollte vermeiden:
- Führungskräfte zu „verpflichten“, sich zu entwickeln – Zwang erzeugt Widerstand
Feedback zu verlangen, ohne selbst Feedbackkultur vorzuleben - Selbstführung als individuelles Problem zu behandeln – sie ist ein Systemthema
- Fazit: Selbstführung braucht Strukturen – und Vertrauen
Selbstführung ist kein Soft Skill für Idealisten. Sie ist ein Kulturhebel, der über die Zukunftsfähigkeit von Organisationen entscheidet. Wenn Unternehmen wollen, dass Führung wirksam, glaubwürdig und lernfähig ist, dann muss die Selbstführung ihrer Führungskräfte gezielt gefördert werden – strukturell, individuell und mit klarem Commitment von HR.
Wer heute Personalverantwortung trägt, stellt damit die Weichen für die Führungskultur von morgen.
➡ Die vollständige Podcast-Folge mit Stephanie Woesler finden Sie hier: „Was bringt Selbstführung – und wie gelingt sie?“