Warum die Auseinandersetzung mit Mobbing durch Führungskräfte kein Tabuthema mehr sein darf – und wie Unternehmen es wirksam unterbinden können
Es ist eine Frage, die provoziert – und das ganz bewusst: Dürfen Chefs mobben?
Die Antwort ist selbstverständlich: Nein. Niemals. Und doch ist genau das in vielen Unternehmen gängige Praxis – sei es offen oder subtil, strategisch oder stillschweigend geduldet.
Dieser Beitrag analysiert die Formen, Hintergründe und fatalen Folgen von Mobbing – insbesondere, wenn es von Führungskräften ausgeht. Und er zeigt, wie Unternehmen präventiv dagegen vorgehen können.
Was ist Mobbing überhaupt?
Mobbing am Arbeitsplatz ist kein Streit, keine Meinungsverschiedenheit und auch kein „etwas zu ruppiger“ Führungsstil. Mobbing bedeutet: systematisches, wiederholtes und langfristiges Ausgrenzen, Demütigen oder Schikanieren einer Person – mit dem Ziel, diese psychisch unter Druck zu setzen oder zu destabilisieren.
Mobbing ist in seiner Wirkung tiefgreifend. Es zerstört Vertrauen, Arbeitsfähigkeit und Identifikation – und damit das, was moderne Organisationen am dringendsten brauchen: Zusammenhalt.
Formen des Mobbings – wie zeigt sich das?
Mobbing kann viele Gesichter haben:
- Soziale Isolation: Ausschluss von Meetings, Verteilerlisten, Abstimmungen – oft mit dem Effekt, dass Betroffene ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können.
- Gaslighting: Das gezielte Verdrehen von Tatsachen, um Betroffene an ihrer Wahrnehmung zweifeln zu lassen.
- Bossing: Mobbing durch Führungskräfte – z. B. durch Abwertung in Mitarbeitergesprächen, Entzug sinnvoller Aufgaben oder öffentliche Demütigung.
- Leistungsverweigerung: Leistungen werden systematisch ignoriert oder kleingeredet.
- Psychologischer Druck: Zielgerichtetes „Herausdrängen“ von Mitarbeitenden, um Aufhebungsverträge zu vermeiden.
- Toxische Ignoranz: Vorgesetzte reagieren nicht auf Hinweise, beobachten Mobbing – und tun: nichts.
Wie häufig ist Mobbing in Deutschland?
Leider ist Mobbing keine Randerscheinung:
- 29 Prozent aller Arbeitnehmenden in Deutschland haben laut einer YouGov-Studie bereits Mobbing-Erfahrungen gemacht.
- Laut einer aktuellen Untersuchung der Universität Leipzig (Februar 2025) sind 6,5 Prozent der Beschäftigten aktuell betroffen.
- Besonders gefährdet: Jüngere Mitarbeitende (11,4 Prozent bei den 18–29-Jährigen), Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen mit niedrigerem sozioökonomischen Status.
Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache. Mobbing betrifft die Breite der Arbeitswelt – quer durch Branchen, Hierarchien und Organisationsformen.
Warum mobben Menschen überhaupt?
Die Gründe sind vielfältig – aber oft erschreckend banal:
- Machtausübung: Mobbing als Ausdruck eines autoritären oder unsicheren Führungsstils.
- Neid und Konkurrenz: Leistungsstarke Mitarbeitende werden als Bedrohung wahrgenommen.
- Kalkuliertes „Herausdrängen“: Mobbing als Mittel, um Mitarbeitende ohne Abfindung oder Aufhebungsvertrag loszuwerden.
- Karrierewettkampf: Besonders perfide ist Mobbing im Kampf um Aufstiegschancen. In manchen Organisationen wird diese Dynamik sogar stillschweigend als „Ausleseprozess“ toleriert – nach dem zynischen Motto: Survival of the fittest.
Was kostet eine Mobbing-Kultur?
Die Antwort: sehr, sehr viel.
Unternehmen, die Mobbing dulden oder aktiv betreiben, bezahlen einen hohen Preis:
1. Hohe Fluktuation
Betroffene verlassen das Unternehmen – oft auch die stillen Mitläufer. Die Folge:
🔁 Steigende Rekrutierungskosten
📉 Know-how-Verlust
📉 Verunsicherte Teams
2. Sinkende Produktivität
Mitarbeitende, die sich unsicher fühlen, arbeiten defensiv.
Innovation? Fehlanzeige. Kreativität? Blockiert.
3. Verlust der Arbeitgeberattraktivität
Mobbingkulturen sprechen sich herum – auf Bewertungsportalen, in sozialen Netzwerken, beim Gespräch mit Freunden.
Unternehmen mit schlechtem Ruf müssen oft zehn Prozent mehr Gehalt zahlen, um überhaupt noch Talente zu gewinnen.
4. Hohe Fehlzeiten
Burnout, Depression, psychosomatische Beschwerden – Mobbing macht krank. Und Unternehmen zahlen die Rechnung.
Juristische Risiken für Führungskräfte
Führungskräfte, die mobben oder Mobbing dulden, begeben sich auf juristisch dünnes Eis. Einzelne Mobbinghandlungen können strafrechtlich relevant sein – etwa als Beleidigung (§185 StGB), üble Nachrede (§186), Verleumdung (§187), Körperverletzung (§223), Nachstellung (§238), Nötigung (§240) oder Bedrohung (§241). Auch arbeitsrechtlich drohen Abmahnung oder fristlose Kündigung.
Darüber hinaus bestehen zivilrechtliche Risiken, etwa auf Grundlage der §§823 ff. BGB sowie §§7 und 15 AGG, die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche ermöglichen. Arbeitgeber, die nicht gegen Mobbing vorgehen, verstoßen gegen ihre Fürsorgepflicht (§§617 ff. BGB) und können gemäß §831 BGB auch für das Verhalten ihrer Führungskräfte haftbar gemacht werden.
Zusätzlich verlangt das Arbeitsschutzgesetz (u. a. §4 und §§5 ff.), dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz erkannt und verhindert werden.
Was können Unternehmen konkret tun?
1. Wertebasierte Führung entwickeln
Führung muss auf gemeinsamen Werten beruhen – nicht auf Status, Angst oder Konkurrenzdenken. Werte müssen nicht nur definiert, sondern gelebt, vermittelt und regelmäßig überprüft werden.
2. Klare Anti-Mobbing-Richtlinien
Diese sollten für alle gelten – insbesondere für Führungskräfte. Und sie sollten verpflichtend unterschrieben und regelmäßig geschult werden.
3. Führungskräfte schulen
Konflikte frühzeitig erkennen. Eskalationen vermeiden. Teams konstruktiv führen. Wer Teams leitet, braucht das richtige Rüstzeug.
4. Unabhängige Anlaufstellen schaffen
Externe Ombudsstellen ermöglichen eine anonyme, vertrauliche und folgenlose Meldung von Mobbing-Erlebnissen. Nur so entsteht Vertrauen.
5. Integrationskompetenz fördern
Moderne Teams sind divers. Wer führen will, muss mit Unterschiedlichkeit konstruktiv umgehen können – kulturell, sozial, persönlich.
Die 3 wichtigsten Erkenntnisse
- Mobbing ist teuer. Und zwar für alle – menschlich, wirtschaftlich, kulturell.
- Führungskräfte sind verantwortlich. Und haftbar – auch rechtlich.
- Prävention ist der einzige Weg. Durch Haltung, Schulung und klare Strukturen.
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